Schwerbehinderung – Abfindung – Sozialplan

Eine unmittelbar an das Merkmal der Behinderung knüpfende Bemessung einer Sozialplanabfindung ist unwirksam, wenn sie schwerbehinderte Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern, die in gleicher Weise wie sie von einem sozialplanpflichtigen Arbeitsplatzverlust betroffen sind, schlechter stellt.

Das Bundarbeitsgericht untersagt damit die Diskriminierung schwerbehinderter Arbeitnehmer.

Grundlage der Entscheidung ist das Algemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG, welches Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern soll. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Schwerbehinderte Angestellte nicht benachteiligt werden.

In dem Verfahren ging es um einen Sozialplan, der Abfindungen für betriebsbedingt gekündigte Arbeitnehmer regelt. Sozialpläne sollen künftige finanzielle Nachteile ausgleichen, die den Beschäftigten durch die Entlassung entstehen werden.

Nach einem von den Betriebsparteien vereinbarten Sozialplan errechnete sich die Abfindung für die Milderung der Nachteile aus einem Arbeitsplatzverlust wegen einer Betriebsänderung individuell nach dem Bruttomonatsentgelt, der Betriebszugehörigkeit und einem Faktor (Formelberechnung). Die hiernach ermittelte Abfindung ist bei vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern, welche nach einem Arbeitslosengeldbezug von längstens zwölf Monaten die vorzeitige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erstmals in Anspruch nehmen können, auf maximal 40.000 Euro begrenzt. Hingegen sind Mitarbeiter, die aufgrund einer Schwerbehinderung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rente beanspruchen können, von der individuellen Abfindungsberechnung ausgenommen. Sie erhalten eine Abfindungspauschale in Höhe von 10.000 EUR sowie einen Zusatzbetrag von 1.000 EUR, der allen schwerbehinderten Arbeitnehmern zusteht.

Der 1950 geborene und schwerbehinderte Kläger war seit Mai 1980 bei der Beklagten beschäftigt. Anlässlich der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 31. März 2012 erhielt er neben dem Zusatzbetrag weitere 10.000 Euro als Abfindung, die sich nach der Formelberechnung ansonsten auf 64.558 Euro belaufen hätte. Mit seiner Klage hat er zuletzt die Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von 30.000 EUR unter Berücksichtigung der Begrenzung für rentennahe Jahrgänge verlangt.

Und so hat es auch das Bundesarbeitsgericht entschieden. Differenziert ein Sozialplan für die Berechnung einer Abfindung zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen, hat ein damit einhergehender Systemwechsel die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu beachten. In der Regelung über den pauschalierten Abfindungsbetrag für Arbeitnehmer, die wegen ihrer Schwerbehinderung rentenberechtigt sind, liegt eine unmittelbar an das Merkmal der Behinderung knüpfende Ungleichbehandlung, so das Gericht.

Urteil vom 17. November 2015, Aktenzeichen: 1 AZR 938/13

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