Schwerbehinderung: Merkzeichen G auch bei psychisch bedingten Gehstörungen

Psychische Gehstörungen können zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen und damit das Merkzeichen G rechtfertigen, auch wenn sie Anfallsleiden oder Orientierungsstörungen nicht gleichzusetzen sind.

Ein Gedanke, der nicht unbedingt Nahe liegt. Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind.

In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Das Gesetz fordert eine doppelte Kausalität: Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit muss eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung muss sein Gehvermögen einschränken. Man denkt angesichts dieser Voraussetzungen zwangsläufig an Probleme mit dem Bewegungsapparat, also mit den Beinen oder der Wirbelsäule. Das muss aber nicht so sein, wie das Bundessozialgericht geurteitlt hat.

Psychische Störungen, die sich spezifisch auf das Gehvermögen auswirken, können zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen, auch wenn sie Anfallsleiden oder Orientierungsstörungen nicht gleichzusetzen sind.

Anspruch auf das Merkzeichen G hat auch der schwerbehinderte Mensch, der nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke nicht zurück legen kann. Was heißt das? Nicht auf die Diagnose kommt es an, sondern darauf, wie sich die Krankheit auf das Gehvermögen auswirkt, egal, ob die Psyche oder Physis betroffen ist.

Das Bundessozialgericht hatte über eine Klägerin zu entscheiden, bei der ein Gutachter eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine rezidivierende depressive Störung (mittelgradige Episode) und eine abhängige Persönlichkeitsstörung festgestellt hatte.

Warum ist das Merkzeichen G wichtig?

Das Merkzeichen G, das zuerkannt werden kann, wenn der Grad der Behinderung mindestens 50 beträgt, sieht folgende Vergünsitigungen vor:

  • unentgeltliche Beförderung im Straßenverkehr, § 147 SGB IX
  • unentgeltliche Beförderung des Handgepäcks u. a., § 145 Abs. 2 SGB IX
  • Kfz.-Steuerermäßigung, § 3 a Abs. 2 und 3 KraftStG
  • Mehrbedarf i.H.v. 17% bei Grundsicherung wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit (Sozialhilfe), § 30 Abs. 1 SGB XII

Der Kampf um das Merkzeichen G lohnt sich also finanziell. Das gilt nicht nur für das Merkzeichen G. Die Feststellung der Schwerbehinderung und die Zuerkennung eines Merkzeichens sind die Grundlage für den Nachteilsausgleich.

BSG, Urteil vom 11.08.2015, Aktenzeichen: B 9 SB 1/14 R

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