
Sozialgericht erkennt Long-Covid als Berufskrankheit an
Das Sozialgericht Heilbronn (Az. S 2 U 426/24) entscheidet über Anerkennung von Long/Post-Covid als Berufskrankheit
Sachverhalt:
Ein ehemaliger Krankenpfleger erkrankte Ende 2020 an Covid-19. Seine Erkrankung wurde von der Berufsgenossenschaft als Berufskrankheit (BK Nr. 3101 der Berufskrankheitenverordnung) anerkannt. Obwohl er zunächst wieder arbeitsfähig war, verschlechterte sich sein Gesundheitszustand erheblich. Er litt unter starker Erschöpfung (Fatigue-Syndrom), kognitiven Einschränkungen und einer schweren depressiven Episode.
Die Berufsgenossenschaft verweigerte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente und die Anerkennung der Langzeitfolgen als Folge der Berufskrankheit. Sie argumentierte, dass es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für Long/Post-Covid als Folge einer berufsbedingten Infektion gebe.
Gerichtsentscheidung:
Das Sozialgericht Heilbronn gab dem Kläger Recht und verpflichtete die Berufsgenossenschaft:
- Dem Kläger eine Verletztenrente mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 % ab dem 22.03.2022 zu gewähren.
- Das Post-Covid-Syndrom mit Fatigue-Symptomatik, kognitiven Störungen und einer reaktiven depressiven Störung als Folge der Berufskrankheit anzuerkennen.
- Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu übernehmen.
Begründung des Gerichts:
- Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse
Die S1-Leitlinie der AWMF zu Long/Post-Covid (Stand Mai 2024) bestätigt die Existenz und die Auswirkungen dieser Erkrankung. Zudem gibt es anerkannte Bewertungsmaßstäbe zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Post-Covid-Syndromen. - Medizinische Begutachtung und Beweise
Ein Sachverständigengutachten belegte, dass der Kläger infolge der Covid-19-Erkrankung an Fatigue, kognitiven Störungen und Depressionen leidet. Diese Symptome sind nicht durch frühere Erkrankungen erklärbar, sondern direkt auf die Covid-19-Infektion zurückzuführen. - Fehlende Grundlage für die Ablehnung durch die Berufsgenossenschaft
Die Argumentation der Berufsgenossenschaft, es gebe keine hinreichenden wissenschaftlichen Belege, ist nicht mehr haltbar. Wissenschaftliche Studien und Erfahrungswerte aus der Versicherungsmedizin bestätigen die Auswirkungen von Long/Post-Covid auf die Erwerbsfähigkeit. - Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
- Fatigue-Syndrom: 10–30 % MdE
- Kognitive Störungen: bis zu 30 % MdE
- Mittelschwere depressive Episode: bis zu 40 % MdE
Insgesamt wurde eine MdE von 30 % als gerechtfertigt angesehen.
Fazit:
Das Urteil stärkt die Rechte von Long/Post-Covid-Patienten und zeigt, dass diese Erkrankung als Berufskrankheit mit rentenrechtlichen Folgen anerkannt werden kann. Die Entscheidung betont die Bedeutung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und legt klare Maßstäbe für die Bewertung der Erwerbsminderung fest. 😊