Land fordert Ausbildungskosten von Lehrer – Quereinsteiger – zurück, ohne Erfolg

Der Mandant wurde vor dem Arbeitsgericht Suhl verklagt. Er war von 2018 bis 2021 als Lehrer beim Freistaat Thüringen im Angestelltenverhältnis tätig. Ein entsprechender Arbeitsvertrag wurde geschlossen. Als Quereinsteiger wurde er während seiner Anstellung zum Lehrer mit der Befähigung für ein Fach des Lehramtes an Regelschulen nachqualifiziert. In Arbeitsvertrag wurden dazu Regelungen aufgenommen, auch eine Rückzahlungsvereinbarung:

  1. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass die Lehrkraft zum Zwecke der Nachqualifizierung von ihrer Unterrichtsverpflichtung bei gleichbleibender Fortzahlung der monatlichen Bezüge im Umfang der jeweils geltenden Rechtsvorschriften freigestellt wird.
  2. Die Lehrkraft ist zur Rückzahlung der für die Dauer der Nachqualifizierung der dem Arbeitgeber entstandenen Kosten und Aufwendungen der Nachqualifizierung bis zur Höhe von 1/4 seines jährlichen Bruttogehalts verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt des Erwerbs der Lehrbefähigung für das Lehramt an Regelschulen auf Wunsch des Beschäftigten endet. Erfolgt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Einverständnis des Arbeitgebers oder wird durch diesen auf sonstige Weise mitveranlasst oder erfolgt eine Eigenkündigung wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers, besteht keine Rückzahlungsverpflichtung. Die Regelung des § 5 Absatz 7 Satz 3 71/-L bleibt unberührt.
  3. Als Zeitpunkt des Erwerbs der Lehrbefähigung für das Lehramt an Regelschulen gilt derjenige Tag, an
    welchem die Lehrkraft das Ergebnis über die erfolgreich abgelegte Prüfung schriftlich bekannt gegeben wurde.
  4. Die Kosten und Aufwendungen der Nachqualifizierung betragen voraussichtlich 1/4 des jährlichen Bruttogehalts des Arbeitnehmers.
  5. Die Kosten und Aufwendungen der Nachqualifizierung setzen sich zusammen aus:
    • Kosten der Weiterbildung (z.B. Lehrgangsgebühren)
    • Reisekosten
    • Entgeltfortzahlungskosten
  6. Für jeden vollen Kalendermonat der Beschäftigung nach dem Zeitpunkt des Erwerbs der Lehrbefähigung für wird die Lehrkraft 1/24 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen.
  7. Die Rückzahlung ist spätestens am Tage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorzunehmen.

Im Juli 2020 hat der Mandant die Nachqualifizierung erfolgreich abgeschlossen. Später hat er das Arbeitsverhältnis gekündigt – vor Ablauf der Frist von zwei Jahren. Der Arbeitgeber wollte deshalb einen Teil der Ausbildungskosten vom Mandanten zurück.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmte sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in dem TV-L und zur Regelung des Übergangsrechtes TVÜ-Länder sowie nach den Tarifverträgen, die im TV-L und im TVÜ-Länder ergänzend, ändernd oder ersetzend in der Fassung der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für den Freistaat Thüringen jeweils geltenden Fassung, § 2 des Arbeitsvertrages vom 25. Mai 2019.
Die Thüringer Verordnung über die Nachqualifizierung von Lehrkräften an staatlichen Schulen und zur Anpassung weiterer , Vorschriften im Bereich der Lehrerbildung vom 06. Dezember 2017 —ThürLNQVO — regelt die berufsbegleitende Nachqualifizierung. Der Mandant wurde gemäß § 6 Abs. 1 ThürLNQVO zwölf Monate nach qualifiziert.

Diese arbeitsvertragliche Vereinbarung sei nicht geeignet eine Rückzahlungspflicht zu begründen, so dass Arbeitsgericht. Rechtlich handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, in den Vertrag eingeführt vom Freistaat Thüringen als Arbeitgeber. Sie benachteiligen den Mandanten ungangemessen.

Bei der im Arbeitsvertrag enthaltenen Rückzahlungsklausel handelt es sich um eine allgemeine
Geschäftsbedingung (AGB), die einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff BGB zu unterziehen sei. Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Es sei jedoch nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen: Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden.

Die verwendeten AGB seien in mehrfacher Hinsicht unbestimmt und dadurch intransparent.

Die Dauer der Unterrichtsbefreiung ist nicht vertraglich vereinbart, § 5 IV 1. Sie stand im Belieben des Klägers. Es wird auf gesetzliche Vorschriften verwiesen. Die entsprechende VO enthält eine Regelung, wonach die Dauer der Abminderungsstunden der Schulleiter im Einvernehmen mit dem Schulamt bestimmt, § 8 Abs. 4 ThürLNQVO. Der Beklagte ist daran nicht beteiligt, so das Arbeitsgericht.

  • Die Kosten und Aufwendungen der Nachqualifizierung betragen voraussichtlich 1/4 des jährlichen Bruttogehalts des Arbeitnehmers. Diese Pausdhalisierung sei unzulässig. Die Kosten und Aufwendungen der Nachqualifizierung können keinesfalls vom Bruttogehalt des zu Schulenden abhängig sein. Da sind zum einen die höchstpersönlichen Umstände (Steuerklasse, Familienstand etc), die die Höhe des Bruttomonatseinkommen bestimmen, zum Anderen führen äußere Umstände, wie Tariferhöhungen beim Beklagten dann zu geänderten Schulungskosten? Beim teilbeschäftigten Lehrer sind die Kosten und Aufwendungen der gleichen Ausbildung dann anteilig geringer? Der Freistaat wird sich die Mühe machen müssen, die Kosten und Aufwendungen zu ermitteln und nachvollziehbar zu belegen.
  • Erforderlich ist zudem die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen, aus denen sich.die Gesamtrückforderung zusammensetzen wird und die Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden, BAG Urteil vom 6. August 2013, 9 AZR 442/12. Die Lehrgangsgebühren sind beispielhaft aufgeführt. Dies eröffnet die Möglichkeit für den Kläger, weitere Positionen aufzunehmen. Ebenso unbestimmt ist die Formulierung „Reisekosten“ zu verstehen. Eine Klausel über die Erstattung von Ausbildungskosten genügt dem Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nur dann, wenn die entstandenen Kosten im Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren angegeben sind, BAG Urteil vom 21. August 2012, Az.: 3 AZR 698/10. Dem Freistaat war es möglich und zumutbar, Angaben zu den Kosten dem Grunde und der Höhe nach vorab zu machen.
  • Der Beklagte hatte sechs Abminderungsstunden zur Qualifizierung. Bei einer Wochenverpflichtung
    von 38 Stunden sind das 15,79 % der Gesamtarbeitszeit. Der Kläger stellt aber nur auf die Unterrichtsstunden ab. Dann wären es 25 %. Dies greift zu kurz. Sein Entgelt (Monatsbrutto) erhielt der Beklagte nicht nur für die Pflichtstunden (Unterricht), sondern für die insgesamt geschuldeten 38 Stunden. Für eine Minderung von knapp 16 % begehrt der Freistaat eine Rückzahlung von 25 %. Dies sei unangemessen.

Letztlich musste der Mandant nicht einen Cent erstatten. Die Klage wurde abgewiesen.

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