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Urlaubsanspruch verjährt? Von wegen! EUGH schlägt sich auf Seite der Arbeitnehmer

Wieder einmal hat der EUGH die Anwendung des Europarechts in Deutschland unter die Lupe genommen und so den Angestellten einen großen Dienst erwiesen. Wieder einmal ging es um den Urlaubsanspruch.

Aber was ist daran so schwer, dass der EUGH sich damit befassen muss? Die Wurzel des Ungemachs findet sich im Bundesurlaubsgesetz. Nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz muss der Urlaub im laufenden Urlaubsjahr genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Danach verfällt der nicht genommene Urlaub. Was bis März des Folgejahres nicht genommen wird, ist grob gesagt also weg. Lassen wir abweichende Vereinbarungen in Arbeits- bzw. Tarifverträgen mal außen. Die gewöhnliche Verjährungsfrist (es gibt einige Ausnahmen) beträgt im Übrigen drei Jahre. Ob der Anspruch auf Urlaub verfällt oder verjährt und unter welchen Bedingungen, ist Gegenstand vieler Entscheidungen.

Schon am 06.11.2018 hatte der EUGH entschieden, dass der Arbeitgeber über einen drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen informieren muss und so viele Beschäftigte vor dem Verlust ihres Anspruchs bewahrt. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer dazu auffordern, den Urlaub zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht nimmt.

Nun die Entscheidung zu einem häufigen Problem: Der Arbeitnehmer ist lange krank, mitunter über Jahre. Der EuGH hat entschieden, dass ein Urlaubsanspruch zwar grundsätzlich nach 15 Monaten durchgehender Arbeitsunfähigkeit verfallen dürfe. Bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im laufenden Urlaubsjahr komme ein Verfall des Urlaubsanspruchs aus diesem Jahr aber nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor über den Urlaubsanspruch unterrichtet hat. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht entsprechend informiert, besteht der Urlaubsanspruch auch nach Ablauf von 15 Monaten seit Ende des Urlaubsjahres weiterhin. Es kommt also bei langjähriger Erkrankung auf das Jahr an, in dem Arbeitnehmer noch gearbeitet hat. Das gilt sinngemäß auch, wenn Erwerbsminderungsrente bezogen wird.

EUGH Aktenzeichen Urteil vom 22.09.2022 Aktenzeichen C-518/20 und C-727/20

Das Bundesarbeitsgericht wird nun abschließend in den beiden Fällen entscheiden:

BAG Aktenzeichen 9 AZR 401/19 (A)

BAG Aktenzeichen 9 AZR 245/19 (A) (Dieses Verfahren betrifft die Frage der Urlaubsabgeltung bei Erwerbsminderungsrente)

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