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Amtspflichtverletzung wegen mangelhafter Beratung

Was tun, wenn das Amt wegen einer Leistung nicht richtig berät?

Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind, § 14 SGB I. So steht es im Gesetz und der Anspruch gilt für alle denkbaren Sozialleistungen wie Arbeitlosen-, Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Das wird in den Amtsstuben gelegentlich übersehen, weshalb sich nun sogar der Bundesgerichtshof mit einer Amtspflichtverletzung aus dem Bereich des Sozialrechts befasst hat.

Worum geht es in diesem Fall?

Der 1984 geborene Kläger, der schwerbehindert und erwerbsunfähig ist, beantragte Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII (konkret §§ 41ff. SGB XII), also Sozialhilfe. Die Sozialhilfe wurde ihm durch das Amt bewilligt. Das war im Jahr 2004 der Fall. Und so blieb das bis in das Jahr 2011 hinein. Dann fiel einer neuen Sachbearbeiterin auf, dass der Kläger einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung hat. Der Antrag auf die Erwerbsminderungsrente wurde gestellt und die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte dem Kläger die Rente.

Die Rente ist deutlich höher als die Sozialhilfe. Die Differenz für die Zeit vom 10.11.2004 bis 31.07.2011 zwischen Sozialhilfe und Rente beträgt 50.322,61 EUR. Diesen Anspruch verfolgt der Kläger.

Was sagt der Bundesgerichtshof?

Das Landgericht hat das Amt zur Zahlung von 50.322,61 EUR nebst Zinsen verurteilt. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des beklagten Amts die Klage abgewiesen, weil es keine Amtspflichtverletzung erkannt hat und Kläger hat sich darauf hin mit der Revision an den BGH gewandt.

Der fand nun deutliche Worte: Im Sozialrecht bestünden für die Sozialleistungsträger besondere Beratungs- und Betreuungspflichten. Eine umfassende Beratung des Versicherten sei die Grundlage für das Funktionieren des immer komplizierter werdenden sozialen Leistungssystems. Im Vordergrund stehe dabei nicht mehr nur die Beantwortung von Fragen oder Bitten um Beratung, sondern die verständnisvolle Förderung des Versicherten, das heißt die aufmerksame Prüfung durch den Sachbearbeiter, ob Anlass besteht, den Versicherten auch von Amts wegen auf Gestaltungsmöglichkeiten oder Nachteile hinzuweisen, die sich mit seinem Anliegen verbinden. Denn schon gezielte Fragen setzten Sachkunde voraus, über die der Versicherte oft nicht verfüge. Die Kompliziertheit des Sozialrechts liege gerade in der Verzahnung seiner Sicherungsformen bei den verschiedenen versicherten Risiken, aber auch in der Verknüpfung mit anderen Sicherungssystemen. Die Beratungspflicht sei deshalb nicht auf die Normen beschränkt, die der betreffende Sozialleistungsträger anzuwenden hat. Es war deshalb ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer Beratung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger geboten, so der BGH weiter.

Der BGH hat das Verfahren an das Landgericht zurück verwiesen, das nun noch über die Höhe des Schadensersatzes entscheiden muss.

Fazit:

Es kommt immer wieder vor, dass mögliche Ansprüche durch das Amt übersehen werden. Nicht jeder Anspruch ist leicht zu erkennen. Man denke an einen langfristig arbeitsunfähigen Betroffenen. Endet der Bezug des Krankengeldes, steht die Frage im Mittelpunkt, wie es weiter gehen soll, Arbeitslosengeld oder Rente. Fällt der Fehler später auf, kann der  Schaden erheblich sein. Ist Ursache dafür ein Beratungsfehler des Amts, so steht dem Betroffenen ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB wegen der Amtspflichtverletzung zur Seite.

Zur Pressemitteilung des BGH

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